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Eröffnung: 07.11.2006, 19.30 Uhr

Ausstellung: 08.11.–30.11.2006

Der Leif Rumke Preis wird 2006 zum zweiten Mal vergeben.

Die in der Lothringer13 installierte Arbeit von Anna Witt „Import Export Life Conditions“ stellt sich Themen der nationalen Repräsentation im Globalen, und der Verschiebung spezifischer Kontexte am eigenen Leibe. Was ist der Wert eines Körpers in Mexico City? Diese Frage hat sich Anna Witt in deutschen Ausstellungsräumen angeeignet, um sie in einer Ausstellung in Mexico City danach selbst zu stellen. Wegen der mutigen Herangehensweise an komplexe Systeme, wurde Anna Witt mit dem Leif Rumke Preis 2006 ausgezeichnet.

2005 wurde dieser Preis erstmalig Fabian Hesse für seine Arbeit „Slumparade. Eine Exstallation“ verliehen. Fabian Hesse wird in der Ausstellung die Firmenzentrale seiner Agentur „PPconsulting“ errichten. Im Rahmen von Forschungen zum Begriff der immateriellen Arbeit wird „PPconsulting“ Ende November einen Workshop anbieten. Während eines deregulierten 36-Stunden-Tages machen sich die Teilnehmer fit für die Anforderungen der heutigen Arbeitswelt. Obdachlose Arbeitslose fungieren dabei als Leiter und Experten. „PPconsulting“ wird im Rahmen des Projekts „100.000 Euro Job“ mit Mitteln der Kulturstiftung des Bundes im Programm „Arbeit in Zukunft“ gefördert.

Der Leif Rumke Preis kommt Student/innen zu Gute, deren besondere Arbeitsweise Aufmerksamkeit verdient. Der Preis wurde an der Akademie der Bildenden Künste München initiiert und 2005 in einer spektakulären Aktion unter Blaulicht und Sirenen von der Feuerwehr erstmals verliehen. Das Preisgeld kommt durch Spenden zustande und kann deshalb von Jahr zu Jahr differieren.

Uli Aigner 2006

Anna Witt „Import Export Life Conditions“

Was ist der Wert eines Körpers in Mexico City, einer Stadt mit über 20 Millionen Einwohnern, auf dichtesten Raum. Was ist der Wert meines Körpers in so einer Stadt?

Ich soll eine Arbeit in Mexico City realisieren, ich habe 10 Tage Zeit und ich kenne diese Stadt nicht.

In Berlin habe ich eine Ausstellung gesehen mit dem Titel „Mexico City: Eine Ausstellung über die Wechselkurse von Körpern und Werten“. Sie wurde nach Europa und in die USA transportiert um das Nationale zu repräsentieren.

Osvaldo Sanchez schrieb im Ausstellungskatalog: „Ich weiß nicht, ob man das Nationale als einen moralischen Wert zu verteidigen habe, oder als irgendeinen anderen Wert, gegen das Globale. Doch wir wissen, dass uns das Nationale einen falschen Zustand von einer Einheit in Zeit und Raum anbietet. Es erstaunt mich, dass wir immer noch so tun, als würden wir nicht sehen, dass das Nationale ein Konstrukt des Staates ist, als Bezugssystem internationalisiert und keinen anderen Kontext darstellend als den des Zwangs.“

Die Ausstellung blieb mir gut im Gedächtnis, denn sie wurde zu meiner Assoziation mit der Stadt Mexico City, bevor ich sie kennen lernte.

Francis Alys fotografierte Händler bei ihrem täglichen Weg zur Arbeit, beim Schieben oder Ziehen ihrer Güter. Ihr körperlicher Aufwand steht in direktem Verhältnis zum ökonomischen Wert ihrer Ware. Ich war fasziniert davon, real zu beobachten, wie Händler riesige Berge von Gütern auf kleinen Sackkarren transportieren. Diese Wägen nennen sie „Diablito“ – übersetzt: „kleiner Teufel“.

Mit Hilfe eines einheimischen Bankers den ich auf der Strasse kennen lernte, überredete ich einen Straßenhändler mir seinen Diablito zu verkaufen.

Sobald ich dieses Gerät bei mir hatte, fühlte ich mich seltsam sicher und eingebunden in die Normalität der Stadt, obwohl ich mit Wagen sichtlich mehr Aufsehen erregte als ohne. Denn die einheimischen Händler konnten sich wohl nicht vorstellen – was ich als weiße und somit offensichtliche Touristin – mit so einem Wagen vorhabe. Mit dem Diablito und meinem restlichen Gepäck machte ich mich auf den Weg zum Flughafen.

Der Taxifahrer band die Sackkarre lose auf das Autodach, was zur Folge hatte, dass sich auf der Schnellstraße die Befestigung löste und der eiserne Wagen auf den Kofferraum und dann auf der Strasse krachte. Am Flughafen Mexiko checkte ich ohne Probleme ein.

Nach meiner Landung in Deutschland importierte ich den Wagen per Bahn nach Österreich: Was für einen Wert hat ein solches Objekt hier, seiner eigentlichen ökonomischen Umgebung entrissen? Ich frage mich auch, was es zur Folge hat, eine Arbeit seiner lokalen Bestimmung zu entreißen und in eine vollkommen andere Umgebung zu transportieren.

Für die Installation möchte ich ein einfaches weißes Metall-Gitter verwenden, wie es bei mexikanischen Händlern zum Bau ihrer Stände üblich ist. Doch schnell merke ich, so etwas aufzutreiben bereitet wesentlich größere Umstände, als ich dachte. Das Material ist wohl aus der Mode geraten? Hat es vielleicht zu mindere Qualität? Oder entspricht es nicht unseren ästhetischen Ansprüchen?

Santiago Sierra ist wie Franzis Alys „Wahlmexikaner“. Doch beider Wurzeln liegen in Europa, wie Sierra es ausdrückt: „… der künstlich am Leben erhaltenen Blase der ersten Welt.“ Als Repräsentanten einer Mexikanischen Kultur werden Beide in einer Ausstellung für die westliche Welt präsentiert.

Ich war eingeladen die deutsche Kultur in Mexiko City zu repräsentieren.

Santiago Sierra bezahlte kubanische Prostituierte, sich für den Wert eines Schuss Heroins, eine Linie auf den Rücken tätowieren zu lassen. Diesen Strich lasse ich auf meinem Körper fortsetzen. Ich zahle 400 Pesos dafür. Würde ich die Frauen ausfindig machen und mich mit ihnen in einer Reihe aufstellen, ergäben wir eine Linie, ein Bild. Haben unsere Körper die gleiche Währung?

Die frische Wunde der Tätowierung auf meinem Rücken nimmt mich mehr mit, als ich dachte. Ich fühle mich irgendwie angegriffen. Es ist ein Versuch, den Grenzwert meines Körpers auszutesten. Der Strich bleibt für immer!

Am gleichen Tag noch bekomme ich eine Knarre an den Kopf gehalten und ich erfahre die Reaktion meines Lebenserhaltungsinstinktes: Ich laufe nicht weg, sondern mache einfach die Augen zu und reagiere nicht.

Fabian Hesse „PPconsulting“

Das Projekt „PPconsulting“ basiert auf der Überlegung, auch diejenigen, die für die klassische Arbeitswelt als nicht relevant betrachtet werden, als Produzenten von Kapital zu verstehen und somit den Begriff der Arbeit zu erweitern.

Obdachlose leben in einem ständig prekären Ausnahmezustand und sind permanent in einem Prozess immaterieller Kapitalproduktion begriffen. Ihre Kapitalproduktion in Form von Wissen und Soft-Skills erfährt jedoch eine geringe finanzielle Vergütung und das Potential ihres erarbeiteten Wissens fließt kaum in die Gesellschaft zurück. Dabei wird klar, dass die Funktionsweisen des Marktes allein daraus keine genügende Wertschöpfung generieren.

„PPconsulting“ tritt in verschiedenen Kontexten und in unterschiedlichen Formen auf: als Website, in multimedialen Installationen und mit performativen Workshops.

Gegründet 2005 von Studenten und arbeitslosen Obdachlosen in München, ist „PPconsulting“ mit tausenden inoffiziellen Mitarbeiter/innen inzwischen weltweit vertreten und zählt zu den wichtigsten Global-Players. Die Experten von „PPconsulting“ leben teils schon seit Jahrzehnten in extrem prekären Verhältnissen. Als loses Netzwerk informeller Ich-AGs experimentiert „PPconsulting“ mit neuesten gesellschaftlichen Formierungen.

Experte Tom: „Kürzlich bin ich aufgewacht, und da war so was Schweres auf meinem Arm. Ich zieh ihn so weg, und da beißt mich das Viech voll in den Finger ich schrei’ auf und seh’s nur noch davonhuschen, so ne fette schwarze Ratte.“ (BISS, Juli 2005)

Das Kerngeschäft von „PPconsulting“ ist die Produktion von Soft-Skills im Umgang mit Deregulierung, und die Rückführung dieses Know-Hows in den gesellschaftlichen Kreislauf. Dafür stehen die „PPworkshops“, in denen die Teilnehmer/innen in modellhaften Situationen spezifische Schlüsselkompetenzen trainieren können. Somit realisiert sich erstmals eine Verbindung aus Outsourcing-orientierter Beratung und Personal-Achievement-Modellen. Die konsequente Fokussierung auf die Key-Bereiche Finance, Insurance, Public-Services, Utilities, Communications und Health-Care befähigt „PPconsulting“ zu besonderer Branchenexpertise. In den „PPworkshops“ trainieren die Teilnehmer/innen Schlüsselkompetenzen wie Flexibilität, Fast-Decision-Making, Teamfähigkeit und das Vermögen unter Druck Strategien zu entwickeln.

Workshop I: 36 Stunden sind ein Tag

In modellhaften Situationen erproben Sie ihre Fähigkeit, unter hohem Druck flexibel und entschlossen zu handeln. Betreut und gecoacht werden Sie dabei von Experten des täglichen Überlebenskampfes, die zum Teil seit mehr als 30 Jahren auf der Straße leben.

Workshopsituation: Sie sind in München, einer Stadt, die Sie zu kennen glauben. Doch plötzlich ändert sich ihre Perspektive. Für 36 Stunden, der Dauer der „PPworkshops“, sind Sie auf der Straße – Handy weg! Porsche weg! Nacktes Leben! „Wo kriege ich essen?“, „Zusammen oder alleine durchschlagen?“. Schlafplatz errichten, Schmale-Training (sog. „Betteln“). Flexibilisierung des Zeitmanagements, Geschichten aus dem Alltag der Deregulierung. Utopisches Denken? Nein, die neuen Workshops von PPconsulting!

Ort: München
Dauer: 36 Stunden
Teilnehmerzahl: 3–5
Workshopziele: Flexibilitätstraining, Fast-Decision-Making, Teamarbeit
Kosten: EUR 50,– (pro Teilnehmer/in)
Schwierigkeitsgrad: II

Wer kann teilnehmen: Die „PPworkshops“ wurden speziell für die Leistungsträger der globalisierten Arbeitswelt entwickelt: 60-Stunden-Woche, Verantwortungspositionen, sich dynamisch verändernde Einsatzgebiete sind für Sie der Alltag? Dann sind Sie genau richtig bei den „PPworkshops“. Selbstverständlich richten wir uns auch an junge Menschen in der Ausbildung, die die Chance besonderer Qualifikation wahrnehmen wollen.

„PPconsulting“ wird im Rahmen des Projekts „100.000 Euro Job“ mit Mitteln der Kulturstiftung des Bundes im Programm „Arbeit in Zukunft“ gefördert.

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© Lothringer13, Städtische Kunsthalle München
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