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Eröffnung: 15.11.2007, 19.30 Uhr

Ausstellung: 16.11.2007–27.01.2008

Lieber Sands,

beim Nachdenken über Deine Ausstellung und warum ich die Position, die Du durch Deine Arbeit beziehst, so wichtig finde, fiel mir ein Buch in die Hände: Michel Foucault, „Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1“, Frankfurt/Main 1983, deutsche Erstausgabe 1977.

Ich lese darin und rege mich auf darüber, dass wir dies Alles eigentlich wissen könnten, dass wir nicht immer wieder bei Null anfangen müssten. Hier einige Auszüge aus den ersten Seiten des Buches: „Noch zu Beginn des 17 Jh. sei es freimütiger zugegangen, sagt man. Da steht zum Beispiel, dass mit Beginn des Viktorianischen Zeitalters erst, die Sexualität sorgfältig eingeschlossen wird. Sie richtet sich neu ein, wird von der Kleinfamilie konfisziert und geht ganz im Ernst der Fortpflanzung auf. Um den Sex bereitet sich Schweigen. Das legitime, sich fortpflanzende Paar macht das Gesetz. Es setzt sich als Modell durch, es stellt die Norm auf und verfügt über die Wahrheit, es bewahrt das Recht zu sprechen, indem es sich das Prinzip des Geheimnisses vorbehält. Im gesellschaftlichen Raum sowie im Innersten jeden Hauses gibt es nur einen Ort an dem die Sexualität zugelassen ist – sofern sie nützlich und fruchtbar ist: das elterliche Schlafzimmer. Der Rest schwindet ins Halbdunkel, die Anständigkeit der Haltungen weicht den Körpern aus, die Schicklichkeit der Worte übertüncht die Reden. Wo aber das Unfruchtbare weiter besteht und sich offen zeigen sollte, erhält es den Status des Anormalen und unterliegt dessen Sanktionen.“

Oder weiter lese ich über die Repression: „Das Eigentümliche der Repression, das, was sie von den einfachen Verboten des Strafgesetzes unterscheidet, soll demnach darin bestehen, dass sie zugleich als Verbannungsurteil und als Befehl zum Schweigen funktioniert, als Behauptung der Nichtexistenz und – konsequenterweise – als Feststellung, dass es bei alledem überhaupt nichts zu reden, zu sehen oder zu wissen gibt, …“

Und: „… wenn die Repression, so wird uns erklärt, seit dem klassischen Zeitalter, die grundlegende Art und Weise der Verbindung von Macht, Wissen und Sexualität gewesen ist, dann kann man sich nur um einen beträchtlichen Preis von ihr befreien: es braucht dazu nicht weniger als eine Überschreitung der Gesetze, eine Aufhebung der Verbote, einen Einbruch der Rede, eine Wiederherstellung der Lust im Wirklichen und eine vollkommene neue Ökonomie in den Mechanismen der Macht; denn schon das geringste Aufblitzen der Wahrheit steht unter politischen Bedingungen.“

Weiter unten lese ich dann noch, was man eigentlich auch weiß: „Ein Erklärungsprinzip beginnt sich abzuzeichnen: wenn der Sex mit solcher Strenge unterdrückt wird, so deshalb, weil er mit einer allgemeinen und intensiven Arbeitsordnung unvereinbar ist.“

Sands, Deine Anwesenheit während der Ausstellung, Deine Arbeiten und Deine Sammlung von Werken feministischer Künstler/innen seit den 70er Jahren, werden vielleicht die üblichen Verdächtigen auf den Plan rufen. Werden die Besucher aber auf Dich treffen, ergibt sich die Möglichkeit zu sehen, was auch wahr ist. Es beruhigt mich fast, dass sich all dies wieder und wieder wiederholen wird, und wir mit Deiner Ausstellung nicht die Ersten und nicht die Letzten sein werden, die gegen gesellschaftlich sanktionierte Windmühlen kämpfen müssen, eine lange Tradition fast, die sich hier fortsetzen wird. München freut sich auf Dich!

Uli Aigner 2007

In der Ausstellung sind auch Werke von Tracey Emin, Moshekwa Langa, Jim Clark, Risk Hazekamp, Carolee Schneemann, Adrian Piper, Senga Nengudi, Harmony Hammond, Jan Dibbets, Stefanie Trojan, Hannah Wilke, Howardena Pindell, Elke Krystufek, Andrea Saemann, Katrin Groegel, Esther Ferrer, Monika Guenther, Valie Export, Maria Pask, Kirsten Justesen, Georg Herold, Delphine Bedel und Aimée Sands zu sehen.

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© Lothringer13, Städtische Kunsthalle München
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