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Eröffnung: 15.05.2007, 19.30 Uhr

Ausstellung: 16.05.–08.07.2007

„Revision der Produktion“ – So lautet der Titel zu Peggy Meinfelders erster Einzelausstellung in München.

Die Ausstellung thematisiert die deutsche Wiedervereinigung und die dadurch produzierten Lebensbedingungen auf eine bildlich, räumlich und bildhauerisch sehr präzise, aufs wesentlichste reduzierte Art, wie sie Peggy Meinfelder eigen ist. Zugleich ist diese Ausstellung eine Revision der eigenen künstlerischen Produktion von Peggy Meinfelder.

Peggy Meinfelder hat in Bamberg eine Steinmetzlehre absolviert und bei Olaf Metzel an der Akademie der Bildenden Künste München Bildhauerei studiert. 2004 machte sie ihren Diplomabschluß an der Bauhaus-Universität Weimar.

Politische Veränderungen äußern sich nirgends stärker als im Alltag der Betroffenen. Die Existenzbasis des Einzelnen sind die Produktionsbedingungen unter denen die elementaren Dinge des Lebens geprägt werden: Geburt; Zugang zu Bildung; Bedingungen des Broterwerbs; kulturelle, soziale und gesellschaftliche Einbindungen.

Peggy Meinfelder war 14 Jahre, als sie im Trabbi mit den Eltern und der Schwester die westdeutsche Grenze passiert hat. Ein bleibender bizarrer Eindruck war für sie, dass Westdeutsche am Straßenrand standen und altes Kinderspielzeug und Bananen durchs Autofenster reinreichen wollten.

Peggy Meinfelder recherchiert mit wissenschaftlicher Genauigkeit wichtige soziale Eckpfeiler im Leben ihrer Kindheit in dem DDR Grenzort Seidingstadt. Exemplarisch thematisiert sie dadurch auch das Leben heute in Deutschland. Die Abzeichen, die in riesigen Mengen für ungezählte Leistungen in der sozialistischen Gesellschaft verliehen wurden, sind Substitute für das Statussymbol Konsumgut, das es nicht gab.

Mit den 18 Abzeichen, die in der Ausstellung zu sehen sind, verschwimmen die Grenzen zwischen realen und fiktiven (von Peggy Meinfelder erfundenen) Leistungsabzeichen und Orden einer Gesellschaft, die ihr offizielles Ende am 3. Oktober 1990 gefunden hat. Das Westpaket, das Peggy Meinfelders Familie wie unzählige andere Familien im Osten von westdeutschen Verwandten oder Bekannten mit der Post geschickt bekam, steht den Abzeichen diametral gegenüber. In der Installation sehen sie die Aufteilung der Waren, an die einzelnen Familienmitglieder, und somit auch die Auswechslung der Familienmitglieder in eine andere Währung; die Währung des westlichen Konsumgutes.

Den finalen Way-Out der DDR weist uns Peggy Meinfelder mit ihrer Arbeit 100 Westmark. An die frische Schnittstelle der beiden deutschen Staaten setzt man einen Geldschein, 100 Westmark als ersten Passagierschein in die kapitalistische Welt Westdeutschlands.

Jeder einzelne Gegenstand, der von den 100 Westmark gekauft und von Peggy Meinfelder archiviert und katalogisiert wurde und wird – die Sammlung wächst beständig weiter – ist ein Beweis für Mangel: Billigprodukt aus dem Westen trifft auf unbefriedigtes Konsumbedürfnis aus dem Osten.

Die Toninstallation im großen Raum erzählt, wie das Begehren nach einem besseren freien Leben in käuflich erworbene Produkte, im Wert von 100 DM, umgewandelt wurde.

Die Textprojektionen im selben Raum sind Aussagen von Münchnern über ihren ersten Tag im Osten.

Peggy Meinfelder lenkt in dieser Installation unseren Blick und unsere Wahrnehmung auf allgemeingültige Fakten aus einem Leben in Deutschland. Wie niemand sonst führt sie uns das jüngste Kapitel der deutschen Geschichte in ihren Arbeiten mit der ihr eigenen Akribie und Unerbittlichkeit vor Augen.

Dass geschichtliche Verläufe aus dem willkürlichen Zusammentreffen von Ereignissen entstehen ist nicht neu. Neu aber ist in der Arbeit von Peggy Meinfelder das Überführen von gegenwärtigen politischen Fakten in präzise Bilder, Objekte und Installationen, die wiederum in ihrer Willkür, bzw. durch Peggy Meinfelders Entscheidungen, unser Verständnis der Gegenwart mitprägen werden.

Uli Aigner 2007

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© Lothringer13, Städtische Kunsthalle München
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