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Lothringer13: Peggy MeinfelderApplaus, Kultur-Magazin, Juni 2007Ein Staat hat sich aufgelöst. Er hörte auf den Namen DDR. Geblieben sind von ihm Erinnerungen seiner Bewohner sowie Dinge, die immer weiter verstreut werden, um schließlich, da sinn- und zwecklos geworden, ihre letzte Ruhestätte im Müllkübel zu finden. Peggy Meinfelder, geboren 1975 in Südthüringen, hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesem Verschwinden der Dinge und Erinnerungen entgegenzutreten. Dazu hat sie sich in eine Sammlerin von Überbleibseln der DDR und ihrer ehemaligen Bewohner verwandelt. So trägt sie Gegenstände zusammen, die sich damalige DDR-Bürger von dem sogenannten Begrüßungsgeld in Höhe von 100 Westmark gekauft haben. Ein Schild am Gegenstand unterrichtet über die Intention des Käufers und die spätere Nutzung des Dinges. Oftmals geraten diese kleinen Miniaturerzählungen, die in der Halle auch zu hören sind, zu Bruchstücken einer melancholischen Dinggeschichte. Als Gegenüberstellung werden in der ehemaligen Werkhalle, die jetzt von der Städtischen Kunsthalle genutzt wird, Texte von Westbürgern über ihren ersten Aufenthalt in der ehemaligen DDR an die Wände projiziert. Die Betitelung ihrer Ausstellung als „Revision der Produktion“ darf auch als augenzwinkernde Ironie gelesen werden. Unsere Abbildung zeigt die Installation Westpaket. Im Stile eines „reenactment“ sind auf dem Tisch die Lebensmittel versammelt, wie sie in den Westpaketen enthalten waren. Erinnerungen an das Ritual des Auspackens stellen sich ein. Peggy Meinfelders dokumentarisch geprägte Kunstaktion wird durch Vorträge, Gespräche und Führungen ergänzt, die im Internet unter www.lothringer-dreizehn.com abgefragt werden können. Forschungsfeld IdentitätIn München, Ausstellungen, Nr. 12, 2007Ein süßlicher, penetrant künstlicher Geruch durchdringt den kleinen Glaskubus in der Halle der Lothringer13. Auf einer Tischplatte sind die Lebensmittel ausgebreitet wie sie sich üblicherweise in einem Paket befanden, das viele Familien in der DDR von Verwandten und Freunden im Westen bekamen. Peggy Meinfelder hat für ihre erste groß angelegte Einzelpräsentation „Revision der Produktion“ das Familienritual der Aufteilung eines solchen Paketes nachempfunden (Abb. und Motiv der Edition). Die Verteilung lässt auf eine Sitzordnung schließen. Kleine Häuflein von bunten Bonbons, klebrigem Gummizeug und akribisch gebrochene Schokoriegel für die Kinder; ebenso minutiös aufgeteilt Puddingpulver, Kaffee und Weinbrand-Pralinen für die Erwachsenen. Das gleißende Licht der darüber hängenden Lampe gibt dem Szenario eine wissenschaftliche Anmutung und macht es zum eindringlichen Raumerlebnis der jüngsten deutschen Vergangenheit. Mit ebenso überzeugender formaler Sicherheit bestreitet die junge Künstlerin die gesamte umliegende Ausstellungsfläche, seziert die eigene Kindheit im DDR-Grenzort Seidingstadt und lässt diese Untersuchung galant zum Spiegel eines Lebens im heutigen Deutschland werden. An der Schnittstelle der beiden deutschen Staaten setzte man einen Geldschein, 100 Westmark als Start in die kapitalistische Welt. Eine Sammlung von Objekten, die für dieses erste westliche Geld gekauft wurden, ist im Keller in Regalen aufgereiht. Auch die Toninstallation im darüber gelegenen Raum dokumentiert Berichte über den Umgang mit diesen ersten 100 DM und verschränkt sie mit einer Diainstallation; Textfragmente aus Gesprächen mit Münchner über ihren ersten Tag im Osten. Mit der Zurücknahme jeder persönlichen Handschrift setzen auch die ausgestellten Zeichnungen auf wissenschaftliche Distanz. In der Darstellung von Abzeichen, die in der DDR für alle möglichen Leistungen vergeben wurden, vermischen sich schleichende Dokumentation und Fiktion. Peggy Meinfelder überführt die Zeichen und Symbole, die ihren Status verloren haben, in eine ganz eigene Ikonographie. So gelingen in allen Teilen der sehenswerten Ausstellung sehr präzise Bilder für die jüngste deutsche Vergangenheit als Bezugsrahmen eigener Identität. Kuratorin Uli Aigner setzt ihr Konzept, noch nicht etablierten Künstlern Produktionsmöglichkeiten zu eröffnen, konsequent fort und wird dem hochgesteckten Ziel „Städtische Kunsthalle München“ mit dieser Ausstellung im vollsten Maße gerecht. Der Freundeskreis der Lothringer13 präsentiert erstmals eine Künstleredition zu dieser Ausstellung, die von Führungen und Veranstaltungen begleitet wird. Unbedingt vormerken sollte man sich den 12. Juni, 19.30 Uhr. Im Gespräch unter dem Motto Ex-Change – eine Produktion im Wandel rollen Dr. phil. habil. Rainer Gries und Prof. Dr. Wolfgang Ullrich das Thema von der medien- und kulturwissenschaftlichen Seite auf. Eine Veranstaltung, die nicht nur verspricht gedanklich brillant, sondern auch höchst unterhaltsam zu werden. Dörthe Bäumer Objektkunst
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