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Nackte Tatsachen
Stefanie Trojans Performance-Ausstellung „STOPP“

Süddeutsche Zeitung, Münchner Kultur, 18.07.2007

Kann man Performance ausstellen? Ja und nein. Im Falle von Stefanie Trojans Werkschau in der Kunsthalle der Lothringer13 scheint das Vorhaben geglückt. Die 30-jährige Künstlerin arbeitet seit dem Jahr 2000 performativ, stellt sich etwa nackt in einen Ausstellungsraum und bittet die Besucher um Kleiderspenden oder empfängt sie am Eingang mit den Worten „Grüß Gott – sie stinken“. Trojan verpackt sich auf Flughäfen in eine große Wäschetasche und kugelt darin herum oder verkauft in New York ihre Kleider vom Leib weg an wildfremde Menschen. Ihr künstlerisches Werkzeug ist der eigene Körper, den sie überraschend und verstörend in den Mittelpunkt ihrer mittlerweile 50 Performances stellt.

In der Lothringer13 sind diese Aktionen vor allem auf Videokuben zu sehen, die sich zu zwei großen Achsen gerichtet durch den Raum ziehen. Die strenge Geometrie kontrastiert wunderbar mit den bewegten Bildern auf flimmernden Bildschirmen, und das ergibt für sich schon eine höchst gelungene Rauminstallation, die das Anschauen wert ist. Etwas komplizierter verhält es sich dagegen mit den Videos, den Dokumentationen der Trojan-Performances. Was provozierend, irritierend und vom Erkenntniswert interessant ist, wenn man in der Realität und direkt mit einer ihrer Aktionen konfrontiert wird, verliert als bloße Aufzeichnung doch an Reiz. Stefanie Trojans Performances leben davon, dass sie den Zuschauer zum überrumpelten Mit-Akteur machen. Für den unbeteiligten Nachbetrachter sind die Reaktionen aber dann doch recht vorhersehbar und erinnern ein wenig an „Verstehen Sie Spaß“-Filmchen. Das ist schade, denn harmlos sind Trojans Aktionen beileibe nicht.

Wange an Wange

Münchner Merkur, Kultur, 17.07.2007

Stefanie Trojan ist eine kühne Performancekünstlerin. Die Lothringer13, Kunsthalle der Stadt München, stellt ihre aufregenden und lustigen Projekte vor.

Sie spielt den Klotz am Bein und lässt die Leute nicht mehr los. Sie hält jemanden and der Hand und begleitet ihn, ob er will oder nicht. Sie begrüßt Wange an Wange und verharrt, solange man das erträgt. Sie malt wildfremden Passanten mit dem Finger ein Lächeln ins Gesicht oder bittet nackt um Wärme. Wo immer auch Stefanie Trojan auftritt, verwirrt, verschreckt und verunsichert sie ihr Publikum. Ihre Performances sind einerseits subtil, andrerseits greifen sie massiv in den Kodex der Umgangsformen ein.

Zimperlich darf die Künstlerin dabei nicht sein: Die Bandbreite der Reaktionen auf ihre Übergriffe reicht von Freude bis Empörung, und die Polizei rief sie schon öfter auf den Plan. Wer nun das Bild einer respektlosen Querulantin vor sich sieht, hat weit gefehlt: Die Ausstellung in der Lothringer13 in München ist präzise, klar und ästhetisch aufgebaut. Trojan selbst ist eine sympathische, hübsche 31-Jährige, die allerdings durch ihren stechenden Blick und eine gehörige Portion Selbstvertrauen auffällt. „In unserer digitalen, hygienischen und distanzierten Welt rückt die Basis, was man braucht und will, also die Körpernähe und der natürliche Umgang damit, in den Hintergrund.“

Trojan hat die Hilflosigkeit gegenüber Kontakten seit 2000 zum Thema ihrer Arbeit gemacht. Sie will Berührungsängste analysieren, Reaktionen auf unerwartete Nähe provozieren und den Umgang miteinander sezieren. Das Thema Kommunikation ist dabei kein lautes: Mit der Hand vor dem Mund von Ausstellungsbesuchern kämpft sie mitunter für ein „Schweigen“, ein Innehalten, Nachdenken und Spüren als Gegenpol zum Geplapper. Zunächst aber stellt sich die Frankfurterin in den Weg: Der erste Schirm einer akkuraten Reihe von Monitoren blockiert fast den ganzen Eingang: Heuer drehte sie die Erfahrung „Gegen den Strom“ als filmendes Hindernis. Wie immer erntete sei Unverständnis, Lächeln, Aggression, Aufmerksamkeit. In New York konfrontierte sie 2004 ihrer Mitmenschen mit deren Prüderie und ihrem Materialismus beim „Kleiderkauf“ direkt vom Körper weg. Die „Kleiderspende“ war 2002 der Gegenpol zu dem Projekt während ihrer Akademiezeit: Die nackte Frau, die um Bekleidung bat, brachte manchen zum Nachdenken über den Wert seiner Hüllen.

Ausgangspunkt für die insgesamt 50 Performances war eine Arbeit 2000 in der Münchner Glyptothek, bei der sie sich als modernes Pendant zum antiken Akt aufstellte, natürlich den Rausschmiss provozierte, aber auch feststellte, wie wirkungsvoll voller Körpereinsatz sein kann. Seitdem ist für Trojan die Körperperformance der Inbegriff moderner Skulptur. Die Aktionen im Außenraum ergänzen die chronologische Schiene: Sei es als lebendige, springende Tasche, die das Thema Migration ebenso wie Terrorismus anspricht, sei es als spontane Begleitung in fremden Städten. Die Innenraum-Achse warnt: Trojan interveniert überall. So wortwörtlich anschmiegsam wie spröde – mit einem gewaltigen Potenzial an Innovation, Spaß und Ernst.

Freia Oliv

Auf die Pelle gerückt
Die Performerin Stefanie Trojan nähert sich mit Kurosblick und Penetranz

Kunstzeitung, 11/2007

Es soll Menschen geben, die sich nicht mehr in Stefanie Trojans Ausstellungen trauen. Sie sagen: „Das geht mir zu nahe, rückt mir zu sehr auf den Leib.“ Die 31-jährige Künstlerin kennt keine Kompromisse und arbeitet mit vollem Körpereinsatz. Ihre Mittel überschreiten persönliche Grenzen. Damit steht sie in prominenter Tradition, blickt man auf Marina Abramovic, Vito Acconci oder Joseph Beuys. Für viel mehr kann diese Verwandtschaft aber nicht herhalten, denn Trojan vertraut auf zeitgemäßere Mittel als Schmerz oder Ritual: Sie setzt Körper und Charisma strategisch ein und manipuliert uns – mal betörend, mal verstörend.

Wer in einem Raum mit Stefanie Trojan weilt, wird Bestandteil ihrer Performances, ob er mitmacht oder sich sträubt. Bei ihrer Schlüsselaktion „AKT“ trat sie vor sieben Jahren völlig nackt auf: Als weibliches Pendant gesellte sie sich in der typischen Schrittstellung zum lebensgroßen archaischen Kuros in der Münchener „Glyptothek“. Frappant war, dass ihre Proportionen denen des antiken Jünglings entsprachen.

Dass das Gelingen ihrer Auftritte nicht nur von der Laune des Zufalls abhängt, sondern vor allem von extremer Körperbeherrschung und Sensibilität von Spannung, das demonstrierten kürzlich ihre Videos in der Galerie Royal und der Städtischen Kunsthalle Lothringer13 in München. Sie zeigten Trojan leicht bekleidet auf dem Münchner Christkindlmarkt. Dort werden Passanten aufgefordert, sie zu wären. Im Supermarkt fragt sie Kunden, ob sie auch mal mitfahren darf – im Einkaufswagen. Dann wieder greift sie den Leuten einfach in die Hosentaschen und schaut sie mit dem immer gleichen kuroshaften Lächeln an, egal wie ihr Gegenüber reagiert. Stefanie Trojan bleibt für alle immer dieselbe, für jeden, der involviert wird. Das irritiert.

Performance ist zur Zeit eher ein unpopuläres Medium. Doch Stefanie Trojan, ehemals Meisterschülerin von Asta Gröting an der Münchner Akademie, hat in Abgrenzung zu den Selbstinszenierungen der sechziger und siebziger Jahre ein eigenes Verhältnis zu körperlichen Präsenz, dem sogenannten Body of Work, entwickelt: „Für mich sind Schmerzerfahrungen und Überschreitungen der eigenen Körpergrenzen keine aktuellen Fragestellungen mehr. Mich interessieren die Grenzen der Anderen und gesellschaftliche Codes.“ Bei ihren Auftritten hat Stefanie Trojan in den letzten Jahren immer wieder bewiesen: Sie wird niemals irgendeine Erwartung bedienen. Denn sie beherrscht es perfekt, uns auflaufen zu lassen. Das hat lange niemand mehr geschafft.

Astrid Mayerle

Stefanie Trojan – Stopp

Financial Times Deutschland, 15.08.2007

Sie verkauft die eigenen Kleider vom Leibe, lässt sich von wildfremden Menschen auf der Straße wärmen, zieht Passanten mit einem Handgriff ein Lächeln ins Gesicht, bittet nackt um Kleiderspenden, stellt im öffentlichen Raum ein Sofa auf und lädt Vorbeieilende zum Gespräch ein. Es sind massive Übergriffe, radikale Regelverstöße gegen soziale Codes, mit denen die Künstlerin ihre Zufallsopfer traktiert – und damit eine Bandbreite von Reaktionen zwischen Aggression, Aufmerksamkeit und Polizeieinsatz erntet. Seit dem Jahr 2000 bildet der eigene Körper das künstlerische Werkzeug der 31-jährigen Stefanie Trojan, die mit ihren Performances das Thema Kommunikation hinterfragt. In Endlosschleifen flimmern 50 dieser Arbeiten jetzt als Video über ein knappes Dutzend Monitore, die zu einer strengen Rauminstallation komponiert wurden. Spannung entsteht sowohl durch den Witz der bewegten Filmsequenzen als auch durch den Kontrast der streng geometrisch angeordneten Fernsehapparate zu den flimmernden Bildschirmen. Hier wird die Körperperformance zur modernen Skulptur.

Barbara Reitter-Welter

Edition der l13/fk: Stefanie Trojan

Applaus, Kultur-Magazin, Dezember 2007

Tatort ist die Glyptothek am Münchner Königsplatz. Eine junge Frau betritt das Museum mit einem Sockel unter dem Arm. Zielstrebig sucht sie die antike Statue des Kuros von Tinea auf. Sie stellt ihren Sockel neben die griechische Skulptur aus der frühklassischen Zeit, zieht sich nackt aus, steigt auf das Podest, nimmt die Haltung ihres antiken, steinernen Nachbarn ein und bleibt eine halbe Stunde so stehen, während dessen eine Videokamera die stattfindende Performance dokumentiert. Die junge Frau heißt Stefanie Trojan. Geboren 1976 in Neu-Ulm, hat sie an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Asta Gröting studiert. Bei ihren Performances setzt sie ihren eigenen Körper ganz bewusst als Medium ein, über das sich die Verbindung zu den Passanten herstellt, die dann zu den Beteiligten an den Kunstaktionen Stefanie Trojans im öffentlichen Raum werden. Anlässlich von Stefanie Trojans Einzelausstellung in der Städtischen Ausstellungshalle Lothringer13 im Sommer dieses Jahres hat der Freundeskreis das Fotostill der Arbeit AKT in einer auf 25 Exemplare begrenzte Edition aufgelegt. Die Edition AKT hat das Format 20x25 cm und ist von einem Passpartout und einem grau lasiertem Holzrahmen eingefasst, sodass sich ein Gesamtmaß von 40x50 cm ergibt. Die Edition kostet 280 Euro. Sie ist beziehbar über die Website des Freundeskreises der Lothringer13.

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© Lothringer13, Städtische Kunsthalle München
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