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Eröffnungsrede

Guten Abend. Frau Renner vom Stadtrat wird heute einige Begrüßungsworte sprechen, im Anschluß daran werde ich versuchen, ihnen einen möglichen Einstieg von vielen in die „Große Malerei Ausstellung“ zu geben. Im Anschluß daran wird der erste Gast in der Meisterkabine, Hank, einen Vortrag halten. Jeden Dienstag bis Weihnachten werden weitere Gäste von den Künstler/innen eingeladen, um unser Panoramagemälde der zeitgenössischen Kunst zu vervollständigen. Weiter geht es dann heute abend im Keller mit Konzerten von Manuela & Nick aus der Formation box codex und danach spielt die Damenkapelle.

Nun zur Ausstellung. Der Titel ist eine Provokation, die zur Kontemplation über Erwartungen und Stereotypen in der Kunst gedacht ist. Sagt ein Mann: „Ich bin Künstler“, sagen die Umstehenden: „Ah! Sie sind Maler!“ Sagt eine Frau: „Ich bin Künstlerin“, sagen die selben Umstehenden: „Ah! Sie ist eine Tänzerin!“ Auf diesem tiefen Niveau befinden wir uns, wenn die Allgemeinheit anzunehmen scheint, bei Kunst handle es sich um Bilder und bei einem Bild handle es sich um ein Gemälde. Am besten mit Rahmen drum. Geht man aber davon aus, dass ein systematischer Zusammenhang besteht zwischen dem Sehen und dem Einsehen, dem Verstehen und dem sich eine Meinung bilden, dem überzeugt sein und dem Wissen, dann entsteht ein anderes, sehr komplexes Bild, eine Art Sittengemälde vielleicht? Die „Große Malerei Ausstellung“ ist eine Bilderausstellung. Bilder, die durch unseren Blick entstehen. Und wie diese Bilder aussehen, die Sie sich über diese Ausstellung hier machen, hängt mit Ihren kulturellen Gepflogenheiten und persönlichen Präferenzen zusammen. Oder anders gesagt, zur Macht des Blickes: Im Kontext von Foucaults „Archäologie historischer Überwachungsformen“ und der feministischen Kritik an paternalistischen Sehkonventionen, steht das Auge unter Verdacht, ein vielseitiges Herrschaftsinstrument zu sein. Den auf diese Weise dämonisierten Blick, kennzeichnet gelegentlich eine historisch verblüffende Ähnlichkeit mit seinem viel älteren Bruder, dem magisch begabten bösen Blick. Phallus, Logos und Auge werden gleichermaßen als Instrument patriarchalen Machtanspruchs betrachtet, welcher sich in seinen diversen Ausprägungen vom aufdringlichen Blick über Sexismus und pornografischen Voyeurismus bis zur Ausgrenzung, Verdinglichung oder Unterwerfung nicht allein der weiblichen, sondern jeder Form von Andersheit äußert. Es ist keine natürliche Tendenz des Sehens, penetrant oder gewaltsam zu sein, sondern innerhalb bestimmter sozialer Konstellationen, wie zum Beispiel auch im Kunstbetrieb, kann es so eingesetzt werden, dass das Sehen zu einer Machtanmaßung wird. Die Bedeutung des Sehens hängt von seiner Situierung in einem Gesamtrahmen ab. Das Auge funktioniert nicht als isoliertes Instrument aus eigenem Antrieb, sondern als pflichtbewußtes Glied in einem komplexen und unberechenbaren Organismus, nicht nur wie, sondern auch was das Auge sieht, ist von Bedürfnissen und Vorurteilen bestimmt. Das Auge wählt aus, weist ab, organisiert und konstruiert. Diese Holzrahmen helfen ihnen dabei.

Und nun möchte ich Ihnen die Künstler/innen dieser Ausstellung vorstellen.

Im Raum rechts Alcuin Stevenson, Bilder von der gespannten Oberfläche der Welt, der Titel der Installation „Raids on the Unspeakable“, in der Räume auf Flächen projiziert und gespiegelt werden. Stevenson verhandelt „the holographic principle“ und die Welterschaffung nach Ron Hubbard, ein Haus für Einstein und mehr – und wir, die Betrachter, stehen mit unseren Körpern knapp zwischen Wand und Monitorsockel, im Text, im Bild, im Film. Die Bilder spiegeln und brechen sich an uns. Die Bilder sind wir.

Anna McCarthy inszeniert den Raum, der die Projektion einer gelangweilte Rebellin in ihrem bunten Heim zeigt, als Aufbahrungsstätte. Die Revolution ist tot. Das projizierte Bild zeigt die Realität einer jungen Frau in Oberpfaffenhofen, während der Ausstellungsraum, in seiner Tragik, zur Realität für uns hier wird. „How to start a revolution“, diese Frage wird in der gleichnamigen Zeitung, die in der Installation und bei Herrn Hofmeister am Empfang ausliegt, beantwortet. Die auf die Wand kaschierte Bibliothek mit Büchern aus der Abteilung Revolutionen im Gasteig erinnert im Hinausgehen daran, dass Ideen, Vorstellungen und Bilder zum gesellschaftlichen und politischen Widerstand ihre Ruhestätten in ungezählten Bücher gefunden haben.

Kako Satoko hat in Tokio eine klassische Malereiausbildung absolviert. Sie bezeichnet ihre Bilder als Portraits, Landschafts- oder Stadtportraits. In der Serie hier, mit dem Titel „Savageness Scoopers Landscape“ zeigt sie drei große Portraits eines Gartens, den sie aus dem Fenster ihres Berliner Ateliers diesen Sommers gesehen hat. Die kleineren Arbeiten zeigen imaginäre Landschaften, welche die Vorläufer zu den großen Arbeiten sind, in denen sie eine abstrakte Formen- und Farbensprache entwickelt hat, die ihr die größtmögliche Freiheit für ihre Landschaftsmalerei jenseits traditioneller Stilmittel erlauben. Die Wahl der nicht traditionellen, d.h. nicht haltbaren Mitteln wie Plastikfolie, Textmarker, Filzstifte, ermöglichen der Künstlerin eine besondere Art von Freiheit, nämlich dass diese Arbeiten bald ihr Aussehen verändern werden, durch das Verfallsdatum der verwendeten Materialien. Ein wildes Ausheben einer Landschaft die nach einiger Zeit wieder in sich zusammenfällt, der Natur anheimfällt, den physikalischen Gesetzen folgend. Ein Bild das sich wandelt mit der Zeit.

Hedwig Eberle hat zwar immer Malerei studiert, tut dies aber erst seit ca. drei Jahren fast ausschließlich. Davor Filme Videos, etc. und immer Musik. Die Band Damenkapelle werden wir heute noch erleben. An der Malerei interessiert sie der Stillstand, das Unbewegte eines Bildes. Im Gegensatz zur Tätigkeit steht das Ergebnis, das Bild, im Raum. Und mit gebrochenen Farben im Duktus ganz der informellen Malerei verpflichtet, entsteht dann doch von ganz unten wieder Gegenständliches.

Manuela Gernedel, die in München und Glasgow studiert hat, zeichnet, malt und modelliert mit Flächen im Raum, den Raum und mit dem Raum. Erweiterte Malerei erweiterter Skulpturenbegriff, ihr interner Blick in handwerklich gefertigten Arbeiten. In ihren Gemälden bilden sich ornamentale Raumkonstruktionen weiter. Und später, heute, hören wir sie singen als Manuela & Nick aus der Band box codex.

Jürgen Schlattl studiert hier in München und präsentiert seinen ersten Film. „Minderjährig“, so der Titel des ca. 20-minütigen Filmes, zeigt eine Reihe von Situationen und konstruierten Bildern. Der Titel „Minderjährig“ provoziert Erwartungen, die der Film auf seine Weise pariert. Die Ästhetik seiner Filmbilder ist präzise und einprägsam, einfach. Und erinnern dramaturgisch an seine frühen Filzstiftbilder.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen und uns einen schönen Abend.

Uli Aigner 2009

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© Lothringer13, Städtische Kunsthalle München
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