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Raum zum Verarbeiten
Anton Bošnjak in der Städtischen Kunsthalle

Münchner Merkur, Kultur, 18.02.2009

Der Bosnienkrieg spielte sich für die meisten Menschen nur im Fernsehgerät ab. Bilder von bombardierten Städten, Soldaten und humanitären Notständen. Anton Bošnjak war als junger Soldat selbst Teil dieses Krieges und reflektiert seine Eindrücke in der Lothringer13, der Städtischen Kunsthalle, mit der Ausstellung „Heile Kunst“.

Der in Bosnien Herzegowina geborene Bošnjak beschäftigt sich in seinen Werken mit Fragen der menschlichen Existenz, Urbanität, Religion und dem Verhältnis zwischen start und schwach. Kuratorin Uli Aigner stellt in erster Linie junge internationale Künstler aus, die in München leben und arbeiten. „Unsere Ausstellungen befassen sich immer auch mit politischen Themen. Das sollte zeitgenössische Kunst unbedingt tun“, betonte Aigner.

Bošnjak arbeitet in der Ausstellung mit verschiedenen Medien und so erwarten den Besucher neben Bildern und Skulpturen auch Installationen. Abfall- und Wegwerfprodukte gehören zu den verwendeten Materialien, die er dann künstlerisch weiterverwertet. Dabei bezieht er den Raum in seine Kunstwerke mit ein, schafft eine beklemmende Stimmung und vermeidet gleichzeitig eine Reizüberflutung.

Barnabas Szöcs

Schmerzhaft „heile Kunst“
Anton Bošnjaks aufwühlende Installation in der Lothringer13

ZEITjUNG, 23.02.2009

Seit Freitag in der Halle der Lothringer13: Anton Bošnjaks „Heile Kunst“. Eine verstörende Installation.

Der Krieg hat Wunden in Anton Bošnjak gerissen. Geboren 1971 in Mostar, Herzegowina, war er kaum 20, als das Pulverfass Balkan explodierte. Die Wunden sind vernarbt, verschüttet, doch bahnen sie sich ihren Weg an die Oberfläche im Schaffen des Künstlers, der seit 1998 im verhältnismäßig „heilen“ München lebt und arbeitet. Fast schon sarkastisch ist also der Titel seiner am Donnerstag eröffneten, großräumigen Installation in der Halle der Lothringer13: „Heile Kunst“.

„Zu sehen ist das, was die Zeit aus erlebten Ereignissen im Stande ist, zu machen,“ fasst Kuratorin Uli Aigner das Werk zusammen. „Keine Erinnerungen, sondern eine Gegenwart, ein sublimiertes Verstehen von dem, was überhaupt und jetzt möglich ist.“ Aber wie sieht das konkret aus?

Im Zentrum des ersten Raumes steht eine Skulptur, die Bošnjak „Mutant“ getauft hat: Ein leerer, schwarzer Kapuzenpulli, verdreckt mit weißen Farbschmierern, darunter eine metallene Beinprothese und ein hölzerner Vogelfuß. An den Wänden schwarz-weiße Aquarelle, die Gitterstäbe darstellen wie Trauerschleier.

Eine kahle Zelle mit Toilette, einer Tapete, gemustert mit Bildern zerbombter Großstadtwohnblocks von Sarajevo bis Beirut, einer verdreckten Pritsche. Darauf ein Fernseher, den Kopf eines Gefangen symbolisierend, der abstrakte Farbmuster und verstörend leidende Grunzlaute wiedergibt.

Eine Videoinstallation mit Namen „Tragovi: Spurensuche“ zeigt die Spuren von Katzen, Vögeln, Menschen im Schnee, suggeriert eine grausame Hetzjagd, untermalt mit horrorfilmwürdigen Geräuschen, einem markerschütternden Tinituston.

Das alles ist schwere Kost, aufwühlend, schmerzhaft. Die kalten weißen Wände der Halle der Lothringer13 verstärken diese Gefühle mit ihrer kühlen Distanz, schaffen einen Raum, der, durchflutet von grellem Licht und widerspenstigen Tonfetzen, hypnotische Sogwirkung entfacht. Die Skulpturen wirken verletzlich und zerbrechlich. So gar nicht heil wie der Titel der Ausstellung vermuten lässt. „Heile Kunst“? Wohl kaum. Mit Sicherheit aber Heilung durch Kunst: Heilsame Auseinandersetzung mit Wunden, die der Krieg auf dem Balkan in Anton Bošnjak gerissen hat.

Tobias Tzschaschel

Kunst für eine kranke Welt

In München, Ausstellungen, Nr. 6, 2009

Anfang der 90er Jahre floh der 1971 in Mostar, Bosnien Herzegowina geborene Anton Bošnjak vor dem Balkankrieg. Er landete in München und studierte an der Akademie der Bildenden Künste, wo er 2005 sein Diplom machte. Arbeiten von ihm waren in den letzten zwei Jahren im Madonnenatelier, in der Galerie Steinle und im Raum 500 zu sehen. Jetzt räumt Kuratorin Uli Aigner ihm die große Bühne ein und präsentiert seine Arbeiten in einer Einzelausstellung in der Städtischen Kunsthalle Lothringer13.

Die Werkschau trägt deutlich autobiographische Züge und steht gleichzeitig stellvertretend für ein gerade angefangenes Jahrhundert, in dem Veränderung mit Zerstörung einhergehen, in dem fortschreitende Globalisierung und Vernetzung eine Entortung vorantreibt und die Ideen der Moderne, der Postmoderne oder von Pop nicht mehr tragfähig sind. Die differenziert formulierten Skulpturen, Bilder, Zeichnungen und Videoarbeiten scheinen im ersten Moment einleuchtend und bringen bei genauerer Betrachtung die Gnadenlosigkeit dieses Nullpunktes zu einem Aufflackern, um ihn mit Utopie und sehnsuchtsvoller Schönheit zu verbrüdern. So steht in dieser Werkschau nicht die Vergangenheitsbewältigung im Vordergrund, sondern das Abtasten von Möglichkeiten in Gegenwart und Zukunft. Ein „Mutant“ positioniert sich mitten im Raum: ein schwarzer Kapuzenpulli aus dem eine metallene Beinprothese und ein hölzerner Vogelfuß lugen. Die Videoarbeit „Tragovi: Spurensuche“ inszeniert aus Spuren von Tieren und Menschen im Schnee eine grausame Hetzjagd. Reste der Konsumgesellschaft, meist Verpackungsmaterialien wie Styropor werden in den Skulpturen gleichsam zu utopischen Architekturmodellen ausformuliert wie zum „Totem“. In der Installation „whitecube loosening“ ist eine Zelle mit einem Tapetenrapport von im Balkankrieg zerstörten Häusern ausstaffiert. Auf dem Kopfkissen eines spärlichen Bettlagers gebärdet sich ächzend ein Bildschirm. Die Bilder des Videos stürzen immer wieder in sich zusammen, die Tonschleife gibt den Takt eines Herzschlages, der rhythmisch strukturiert, in Kaskaden kollidiert, um dann immer wieder für bedrohlich lange Zeit auszusetzen.

Zwischen diesen Arbeiten ein Einbau im Durchgangsbereich, die rechteckige Form wird durch die geschwungenen Linien des Islams zum „Tor zu einer anderen Welt“. Eine Notiz auf einer Zeichnung fasst das Dilemma zusammen: „Ostwestlich – westöstlich ist kein geographischer Begriff, sondern ein Zustand völliger Desorientierung, ein Zustand der Annäherung und der Trennung zugleich.“ Dass der Künstler diese Ausstellung dennoch „Heile Kunst“ nennt, verweist auf sein uneingeschränktes Vertrauen in das Potential von Kunst. Diese Grundhaltung und ihre differenzierte Ausformulierung machen den Parcours unbedingt sehenswert. Im März – Termin noch fraglich – begleitet ein Künstlergespräch zwischen UIi Aigner, Anton Bošnjak und Georg Schöllhammer, Chefredakteur der Zeitschrift „Springerin. Hefte für Gegenwartskunst“, die Ausstellung.

Dörthe Bäumer

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© Lothringer13, Städtische Kunsthalle München
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