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Eröffnung: 06.04.2006, 19.30 Uhr

Ausstellung: 07.04.–25.05.2006

Michal Kosakowski?

Am Kunstwerk interessiert mich die Realität, die durch die spezifischen Produktionsbedingungen geschaffen wird. Der Alltag, der durch das Umsetzen einer Idee entsteht, zeigt mir die Relevanz eines Kunstwerks. Das reale Tun, das zum Werk führt und so den tatsächlichen Alltag aller Beteiligten mitkonstituiert. Das Kunstwerk generiert sich aus den Schnittmengen, aus dem kleinsten gemeinsamen Nenner, der Künstler/in und Betrachter/in vereint.

Am Beispiel Michal Kosakowski: „Just Like the Movies“ ist ein 20-minütiges Video mit Musik von Paolo Marzocchi. Fast alle von uns sahen die Ereignisse des 11. September 2001 im Fernsehen. Wir kennen diese Bilder aus dem Kino, es war damals nahezu unmöglich, sie als reales Geschehen zu begreifen, noch weniger es als solches in diesem Moment zu akzeptieren. Michal Kosakowski greift an diesem frühen Punkt ein: einige Minuten nach den Ereignissen entsteht die erste Ideenskizze zu diesem Projekt. Michal Kosakowski sucht in mehr als 600 Hollywoodfilmen, die vor 2001 produziert wurden, nach den Bildern – und findet in 52 Filmen die gesamten Ereignisse jenes Tages im September 2001. Seine Rekonstruktion beginnt. Paolo Marzocchi, maßgeblich am Projekt beteiligt, ist Komponist und Musiker. Seine Wahrnehmung der Ereignisse von 9/11 führen ihn ein Jahrhundert zurück, zu den Anfängen des Kinos. Er findet im Stil der Stummfilm-Ära den Ton zu „Just Like the Movies“. Ein Jahrhundert medialer Bildkonstruktion kollabiert im Angesicht der Ereignisse vom 11. September 2001, am Beginn des 21. Jahrhunderts, dem Beginn des dritten Jahrtausends. Wehrlos starren wir auf die Liveübertragung auf dem Bildschirm. Ähnlich der Wehrlosigkeit der ersten Kinobesucher, angesichts des Filmes der Brüder Lumière, in dem ein Zug, in voller Geschwindigkeit, frontal auf die im Zuschauerraum sitzenden Menschen zurast. Aber nun ist Heute. 2006.

Anlässlich der Welturaufführung von Michal Kosakowkis „Just Like the Movies“ in der Städtischen Kunsthalle München erscheint ein Buch in Deutsch und Englisch, in dem Bildcollagen von „Just Like the Movies“ Texten von Goran Mimica und Joseph Denize gegenüber gestellt werden. Die Partitur der Filmmusik von Paolo Marzocchi ist im Katalog abgedruckt. Goran Mimicas Schreibstil seiner in Englisch verfassten Kurzgeschichte „To Those to Whom It Seems to Be“ erinnert an Proust. Seine Geschichte, die Michal Kosakowskis Bildcollagen in diesem Buch quasi untertitelt, führt uns beim Lesen in die Realität eines einzelnen Menschen. Am Ende der Geschichte, die einen Übergang beschreibt, bleibt uns ein Image. Hier teilt sich der Weg wieder zwischen uns und Goran Mimica. Der kleinste gemeinsame Nenner aber: ein Mann in einem Raum, am Fenster, hinausblickend; ein Image, so vertraut, dass die Realität seiner Entstehung sich im Hintergrund verliert. Joseph Denizes Geschichte „Last Action Zhero“ führt uns in einer Fiktion in die Zeit nach dem 11. September 2001. Superhelden, Ulysses, Dreamland, Hollywood und Schweine: Denize erschafft Szenarien aus durch und durch von Mann und Macht geprägten Existenzformen; auf der vergeblichen Suche nach dem Ausweg, führt sein Text auf ein von Homer geprägtes Image zurück.

Michal Kosakowski, der seit seinem 14. Lebensjahr Filme produziert, ist in Szczecin, Polen, geboren und lebt seit seinem 10. Lebensjahr in Wien. Seine Filme sind und waren auf zahlreichen Festivals weltweit zu sehen. Sein bislang umfangreichstes Projekt „Just Like the Movies“ stößt hart an die Grenzen des Urheberrechts. In Europa verfügt Deutschland als einziges Land im Dschungel der Urheberrechtsbestimmungen über eine Filmzitatsrechtsklausel, die erlaubt, Ausschnitte von Filmen zu zitieren. Parallel zur Produktion des Filmes, des Buches und der Ausstellung führt Michal Kosakowski umfangreiche Korrespondenzen mit Rechtsanwälten in Europa und den USA, um die Möglichkeiten zur öffentlichen Präsentation zu verifizieren. Das Thema der Herkunft von Bildern und der Verwendung von Images läuft in der Produktionsrealität sowie im Werk selbst parallel. Es zeigt sich, dass die Grenzen zwischen politischer Realität und medialer Fiktion weit geöffnet sind. Nach beiden Richtungen.

Uli Aigner 2006

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© Lothringer13, Städtische Kunsthalle München
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